Formycon AG

Formycon zwischen Erfolg und Blockade

Der Biosimilarmarkt ist kräftig in Bewegung. Trotz aller Unsicherheiten der Entwicklungen des US-amerikanischen Pharmamarktes ist gerade für die Entwickler der biopharmazeutischen Nachahmerprodukte noch immer der Marktzugang in die Vereinigten Staaten das große Ziel. Der Weg dorthin ist von regulatorischen, aber immer stärker auch von juristischen Hürden geprägt, die von den Originalherstellern in den Weg gestellt werden. Die Münchner Formycon hat einige dieser Hürden in den USA übersprungen, dafür haben die Gegner neue Steine auf dem Weg zum europäischen Markteintritt aufgetürmt.

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Der Markt für Biosimilars gilt als Wachstumsfeld der Pharmaindustrie, aber auch als eines der riskantesten, denn die Details auf dem Weg zur Zulassung und zum Markteintritt sind – obwohl vermeintlich ein ausgetretener Pfad durch das Originalpräparat gegangen wird – durchaus komplex. Das jüngste Beispiel liefert einmal mehr die Formycon AG aus Planegg-Martinsried, die sich vollständig auf die Entwicklung von Biosimilars konzentriert. Während die Biotech-Firma in den USA mit ihrem Aflibercept-Biosimilar (Eylea) FYB203 einen entscheidenden Durchbruch erzielt hat, wird sie in Europa vorerst ausgebremst.

US-Einigung ebnet Weg für Markteintritt

In den Vereinigten Staaten hat Formycon gemeinsam mit ihren Partnern Klinge Biopharma und Valorum Biologics eine Vergleichs- und Lizenzvereinbarung mit Regeneron Pharmaceuticals abgeschlossen. Damit sind alle Patentstreitigkeiten rund um das von der FDA zugelassene Aflibercept-Biosimilar FYB203/AHZANTIVE® beigelegt. Der Launch ist nun für das vierte Quartal 2026 vorgesehen – unter bestimmten Umständen auch früher.

„Diese Vereinbarung ist ein bedeutender Meilenstein für Formycon“, freute sich Nicola Mikulcik, Chief Business Officer der Formycon AG in der vergangenen Woche. Sie schaffe Planungssicherheit und ermögliche den Zugang zu einer erschwinglichen Therapieoption für Patienten mit schweren Netzhauterkrankungen.

Das ist keine Selbstverständlichkeit: Die Klage Regenerons stützte sich auf rund 40 Patente zum Schutz des Originalpräparats Eylea®, das in den USA Milliardenumsätze erzielt, im Jahr 2023 rund 9 Mrd. US-Dollar. Die Einigung zeigt, dass Formycon es geschafft hat, sich in einem der komplexesten Biopharma-Märkte der Welt zu positionieren, einem Markt, der Biosimilars bislang nur zögerlich aufnimmt, auch weil die Orginalhersteller Heerscharen von Juristen beschäftigen, um die Patentlaufzeit durch allerlei Tricks zu verlängern und Wettbewerbern den Markteintritt zu erschweren.

Parallel dazu: Rückschlag in Europa

Ganz anders die Lage in Europa. Ende September erließ das Landgericht München I auf Antrag des deutschen Entwicklungs- und Vermarktungspartners Bayer und von Regeneron eine einstweilige Verfügung gegen Formycon, die den Marktstart von FYB203 in 22 europäischen Ländern vorerst stoppt. Der Vorwurf: Das Biosimilar verletze das europäische Patent EP 2 364 691, das eine bestimmte Formulierung des Wirkstoffs Aflibercept schützt, also die Kombination aus Stabilisatoren, Puffern und Lösungsmitteln, die das Produkt lagerstabil macht. Für die Pharmasparte der Bayer AG ist das Medikament ein starker Umsatzträger und eher versuchen die Leverkusener noch die Indikationen zu erweitern und neue Zulassungen ausgesprochen zu bekommen als das Feld kampflos den Biosimilarwettbewerbern zu überlassen.

Das Patent könnte Bayer und Regeneron Marktexklusivität bis Mitte 2027 sichern. Formycon und Klinge Biopharma hatten bereits im Dezember 2024 eine negative Feststellungsklage eingereicht, um die angebliche Verletzung auszuräumen. Im Sommer schlossen sich Teva und Ratiopharm der Klage an. Und nachdem das Bundespatentgericht das Regeneron-Patent im Wesentlichen bestätigte, folgte nun die einstweilige Verfügung – ein deutlicher Rückschlag für Formycon.

Die Entscheidung betrifft zentrale Märkte wie Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien, die Niederlande und die Schweiz und ist noch nicht absolut wasserdicht. Die endgültige Entscheidung wird im Hauptverfahren am 9. Oktober erwartet.

Gerichte entscheiden – Unternehmen ändern Strategien

Die gegensätzlichen Entwicklungen in den USA und Europa verdeutlichen die Ambivalenz des globalen Biosimilar-Geschäfts: Auf der einen Seite öffnen sich Regulierungsbehörden und Gesundheitssysteme mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten für günstigere Nachfolgeprodukte (Europa hat hier im Prinzip die Nase vorn). Auf der anderen verteidigen Originalhersteller ihre Blockbuster mit einer ausgefeilten Patentstrategie und sichern sich über Formulierungs- und Verfahrenspatente zusätzliche Jahre an Exklusivität. Eigentlich galt das Hauptpatent von Aflibercept nämlich nur bis Sommer 2023.

Für Formycon, die bereits mit FYB201 (Ranibizumab) und FYB202 (Ustekinumab) zwei Biosimilars im Markt hat, bleibt die Strategie klar: internationale Partnerschaften, juristische Standfestigkeit und langfristige Marktperspektiven. Mit FYB203/AHZANTIVE® besitzt das Unternehmen ein Produkt mit hohem medizinischem und kommerziellem Potential, doch der Weg zur breiten Verfügbarkeit bleibt weiterhin ein juristischer Hindernislauf.

Das größere Augenmerk auf den Biosimilar-Sektor hat damit einen Schwenk der Unternehmensstrategien bewirkt: von der rein wissenschaftlichen zur strategisch-juristischen Disziplin. Die jüngsten Entscheidungen zeigen, dass der Wettbewerb um die Nachfolge großer Biologika längst nicht nur im Labor entschieden wird, sondern in Gerichtssälen und Lizenzabkommen. Durch den Verzeicht der Zulassungsbehörden auf die Phase III-Prüfung und größere Betonung der analytischen Nachweise der Produktvergleichbarkeit sparen Biosimilar-Entwickler zwar hohe Entwicklungskosten und auch Zeit, die Attraktivität des Segmentes steht aber andererseits durch die Preisdiskussionen in den USA und anderen Weltregionen vor einer ungewissen Zukunft. Auch deswegen dürften sich weitere Bewegungen bei den großen Akteuren zeigen: Samsung Bioepis überdenkt gerade seine gesamte Biosimilar-Strategie und könnte sich sogar aus dem US-Markt zurückziehen, weil die aktuell geforderten Bedingungen des Vor-Ort-Produzierens für die Südkoreaner als wenig attraktiv gelten. Die indische Biocon hingegen setzt stark auf die Expansion der Produktionskapazitäten in den USA, auch neuere Player wie Accord Biopharma wollen gezielt den US-Markt erobern. Von Sandoz hört man, dass der Biosimilarpionier den US-Markt nicht kampflos aufgeben werde und man gleichzeitig sehr stark auf den wachsenden europäischen Markt setze.

Für Formycon wird es eine gewisse Herausforderung bleiben, als kleinere Firma die richtigen Allianzen für die speziellen Marktanforderungen zu schmieden und gegen eine auch zunehmend bewusst eingesetzte juristische Übermacht der Originalhersteller bestehen zu können.

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